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Galakonzert der Béla Bartók Internationalen Musikgesellschaft Österreich   

8. Juni 2022, 19:00 Uhr, Collegium Hungaricum, 1020 Wien, Hollandstrasse 4

Emilia Polotska

Die Götter meinen es dieses Jahr auch mit der Musik nicht so gut. Erst waren wegen der Pandemie noch fast alle Kulturaktivitäten lahmgelegt; als die Lage sich endlich besserte, brach ein Krieg aus und brachte neues Elend für einige Länder. Und für viele Musiker!

Die Organisatoren des 7. Internationalen Béla Bartók Klavierwettbewerbs hatten im Januar-Februar 2022 mit einigen Schwierigkeiten zu kämpfen: Die Vorspiele im Landeskonservatorium Graz mussten noch unter strengen Vorsichtmassnahmen stattfinden. Es wurde trotzdem ein grosser Erfolg, von allen Kontinenten reisten Jungtalente an und brillierten mit ihren Leistungen. Aber das Galakonzert mit den Preisträgern steht leider im Schatten des Krieges und das meine ich wörtlich: Die jüngste Preisträgerin, gerade 10 Jahre alt, musste nämlich aus ihrer Heimat flüchten.

Emilia Polotska (Kiew, geb. 2012)

Ein süsses, kleines Mädchen wie alle gleichaltrigen  – der einzige Unterschied ist ihre ausserordentliche musikalische Begabung. Ich  muss leider noch zufügen: es genügt nicht, Erfolg in der Musik zu haben, man braucht auch Glück auf der Flucht!

Jeder kann erahnen, was das bedeutet. Ja, sie war mit ihrer Mutter Anfang Februar nach Graz aufgebrochen und konnte voller Stolz mit einem 1. Preis heimkehren. «Glückes genug» – wie Robert Schumann jugendliche Gefühle so schön beschrieb. Aber es währte nicht lange. Am 24. Februar hörten sie die ersten Raketen, der Krieg nahm seinen Anfang.

Als der Front näherkam, musste sich die Familie entscheiden: die Mutter machte sich auf den Weg – mit Emilia und dem zwölfjährigen Bruder Maksym, ohne den Vater.

 Die Bilder der Massenflucht, die Menschen in ihrer Angst und Verzweiflung haben wir alle gesehen. Die Mutter, Julia Polotska, schrieb damals: We are trying to leave Kyiv with the family … total collapse on the roads. Threat. Fear. Panic. I wish my children never had such experience. Explosions, we heard close to us, we do not know what it was. Planes with terrible sound. I was frightened to death.

 Erste Station war Rivne, wo die Grosseltern lebten – als die Kämpfe näherkamen, reisten sie weiter, nach Lemberg (Lwiw), und wieder weiter, zur polnischen Grenze.

 Die Familie konnte sich durchschlagen, nach 26 Stunden hatten sie endlich die polnische Grenzstadt Przemysl erreicht.

 Dort stellte sich die Frage: wie weiter?

Hier tritt ein lieber Bekannter in die Geschichte ein: Eduard Lanner, der Direktor des Landeskonservatoriums Graz, der Emilia kaum drei Wochen zuvor ihren 1. Preis überreichen konnte. Als er von ihrer Flucht hörte, setzte er sich ins Auto und fuhr los: 900 Kilometer in einem Zug.

Er traf sie am 5. März. Die Familie war erschöpft und traumatisiert, aber dank Lanners Kraftakt erreichten sie Graz in kürzester Zeit. Die Familie Lanner hat sie in ihrem Haus aufgenommen und die Kinder konnten bald ein «normales» Leben starten. Wir hoffen, dass sie die Erlebnisse ohne bleibenden Schaden verarbeiten können und auf die quälenden Fragen – über den Vater und ihr Zuhause – bald eine beruhigende Antwort bekommen. Emilia übt und komponiert fleissig weiter; im Galakonzert wird sie neben Werken von Chopin und Liszt auch ihre eigenen Kompositionen spielen.

Eva Wang, Wien (geb.2010) tritt mit Werken von Frédéric Chopin, Franz Liszt und J.S. Bach auf.

Filip Trifu, Wien (geb. 2004) wählte für das Galakonzert Musik von Alexander Skrjabin und Frédéric Chopin.

Éva und Filip haben eines gemeinsam: Sie gehören zur Hochbegabtenklasse von Prof. Vladimir Kharin an der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien.   Der Professor verfügt offenbar über  ausserordentliche Fähigkeiten, um junge Talente unterrichten zu können. Ich erinnere mich von früheren Wettbewerben an die unglaublichen Leistungen seiner Studenten.

Ich bat ihn, einige Gedanken über sich und seine Schüler mitzuteilen.

 Professor Kharin schrieb:

Ich hatte das Glück, sowohl in Russland am Moskauer Tschaikowsky Konservatorium als auch in Deutschland zu studieren. Somit konnte ich in die Kulturen beider Länder voll eintauchen und ihre bedeutenden musikalischen Traditionen aus verschiedenen Perspektiven kennenlernen.

Begabte Kinder, die gut spielen, bekommen viel Anerkennung, gewinnen Preise bei Wettbewerben und werden zu Konzerten eingeladen. Frühe Erfolge können motivieren, aber auch leicht zu Kopf steigen. Um die gesunde Entwicklung der Jugendlichen zu gewährleisten, sollte der Lehrer sie vorsichtig in die richtige Richtung leiten, unter anderem mit der richtigen Repertoireauswahl.

Studieren meine Schüler gerade ein Programm, welches zu dem einen oder anderen Wettbewerb passt, können sie diesen gern bestreiten. Aber es bringt zum Beispiel nichts, alte Stücke lange zu spielen, oder immer wieder dasselbe Programm zu üben, statt neue Stücke zu lernen und das Repertoire zu erweitern.

Für mich ist es wichtig, dass meine Schüler lernen, sich selbst kritisch beim Spielen zu hören und eigenständig nach musikalischen Lösungen zu suchen. Ich selbst spiele auch viel im Unterricht vor, damit die Kinder eine genaue Klangvorstellung bekommen.

Filip mag am Klavier, dass es ein sehr vielseitiges Instrument ist, dass man es sowohl solistisch als auch wie ein ganzes Orchester klingen lassen kann. Er ist ein sehr reflektierter, subtiler Pianist. Er liebt am Musizieren den kreativen Prozess, dass es nicht das eine Richtige oder Falsche gibt, dass man seine Meinung zu der einen oder anderen Stelle im Stück mehrmals die Woche ändern kann. Er befindet sich immer auf der Suche, hinterfragt Dinge.

Eva ist mit 8 Jahren zu mir gekommen. Sie hatte vorher an einer Musikschule Klavier und Cello gelernt. Es macht mir sehr viel Spass, mit ihr zu arbeiten. Neben ihrer wunderbaren Musikalität ist sie auch technisch sehr begabt, was keine Selbstverständlichkeit ist. Eva ist im positiven Sinne hartnäckig, willensstark und ehrgeizig. Und da sie schnell ein neues Programm erarbeiten kann, sind Wettbewerbe für sie kein Problem.

Noémi Csőke, Serbien-Ungarn (geb. 2001)

Sie ist Preisträgerin mehrerer Wettbewerbe und hat einen interessanten kulturellen Hintergrund. In Serbien geboren, wechselte sie nach der Musikgrundschule nach Kecskemét, Ungarn, wo sie im berühmten Kodály-Institut die Ausbildung fortsetzte. Ihre Professoren sind zurzeit András Kemenes und Gábor Eckhardt an der Franz Liszt-Musikakademie Budapest. Bei Klavierwettbewerben in Serbien, Italien, Rumänien und Ungarn wurde sie mit Preisen ausgezeichnet, unter anderen für ihre Bartók-Interpretation. Im Galakonzert wird Noémi Werke von Bartók und Rachmaninow vortragen.

Florian Pichlbauer, Graz (geb. 1998)

Florian ist der zweite Solist dieses Abends, der mit eigener Komposition auftreten wird. Seit seinem sechsten Lebensjahr spielt er Klavier und nahm jahrelang Unterricht am Grazer Johann-Joseph-Fux-Konservatorium. Zurzeit studiert Florian an der Grazer Kunstuniversität bei Prof. Libor Novacek. Er gewann mehrere Preise beim Wettbewerb «prima la musica» in Österreich und absolvierte diverse Meisterkurse für Kammermusik. 2020 veröffentlichte er seine erste Komposition, ein Fantasiestück für Cello und Klavier. Beim Galakonzert wird Florian eine Schubert-Sonate und seine eigene e-moll Fantasie spielen.

Diesen jungen Talenten, die an diesem Abend stellvertretend für die anderen Preisträger spielen können, wünschen wir das Beste. Vor allem, dass sie sich in Ruhe der Musik widmen können und ihre musikalische Entwicklung nicht mehr von Epidemien und Kriegen gestört wird.

Link: http://www.belabartok.at/de/index.html

Autor: Anna Rybinski

Ich habe meine Jugend in Ungarn verbracht, wo ich auch die Ausbildung zur Musikerin absolvierte. Nach der Übersiedlung in die Schweiz arbeitete ich als Musikpädagogin und organisierte Kinderkonzerte. Seit einigen Jahren ist mein Tätigkeitsfeld erweitert: Ich schreibe Texte für Konzertprogramme, Artikel zum Thema Kultur, Kurzgeschichten, Satiren und Krimis, die in Anthologien erschienen sind. Lesungen aus meinen Texten fanden in Adligenswil (2011), Luzern (2012), Zürich und St. Moritz (2014) statt. Neben Musik sind bildende Kunst, Geschichte und Politik wichtige Themenbereiche für mich, wie es aus meinen Kolumnen ersichtlich ist. Literarische und historische Ereignisse hingegen liefern mir Motive für Kurzgeschichten, wie bei meinem Taschenbuch »Tod auf der Schatzalp«. Es wurde 2012 beim Aurora Buchverlag Berlin publiziert. Beim www.net-verlag.de erschienen neulich von mir die historischen Erzählungen »Bâb-ilu, die Pforte Gottes« und »Amo amas«.

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